Ein „Marshallplan“ für den Irak oder eine neue Landkarte im Nahen Osten
Bildungsurlaubsseminar zum Irak in Mariaspring
27.-29.03.2017
Mehr als drei Jahrzehnte Krieg haben den Irak fast völlig zerstört. Und die Kämpfe halten an. Sowohl die interkonfessionellen als auch die ethnischen Konflikte bleiben ungelöst. Wenn für den Irak nicht bald ein „Marshallplan“ initiiert wird, wird er auf kurz oder lang zerfallen. Damit würde sich die Landkarte des Nahen Osten maßgeblich verändern und die eh schon instabile Region weiter destabilisiert werden. Diesen nicht sehr optimistischen Ausblick diskutierte der Nahost-Forscher Dr. Achim Rohde von Centrum für Nah- und Mittelost-Studien der Universität Marburg bei seinem Vortrag im Rahmen des Bildungsurlaubsseminares „Irak – Zwischen staatlichem Zerfall und Wiederaufbau“.
Einen Lichtblick gibt es dennoch: trotz der vielschichtigen und tiefgreifenden Konfliktlinien, die die irakische Gesellschaft spalten, gibt es so etwas wie einen irakischen Patriotismus, der für den Wiederaufbau genutzt werden kann. Nur dafür bedürfe es internationaler Hilfe, denn dies könne der Irak allein nicht leisten, so Achim Rohde. Schritte zu einer Lösung der Konfliktlagen seien die Bekämpfung des „Islamischen Staates“, die Entpolitisierung der ethnischen und konfessionellen Zugehörigkeit und eine Integration aller Ethnien und Konfessionen in der irakischen Politik.
Neben der Diskussion der aktuellen Lage im Irak beschäftigten sich die Teilnehmenden in weiteren Vorträgen und Gruppenarbeiten mit den Hintergründen dieser Konflikte. Diese gehen zurück bis in die Zeit britischer Herrschaft über das Gebiet des heutigen Iraks.
Die Teilnehmenden, die alle entweder haupt- oder ehrenamtlich in der Flüchtlingsarbeit tätig sind wollten verstehen, aus welchem Kontext die irakischen Geflüchteten kommen, die sie betreuen.
Den Abschluss bildete ein Gespräch mit dem irakischen Geflüchteten Rami A., der seit etwa eineinhalb Jahren in Göttingen lebt. Rami A., der aus Mossul kommt, berichtete über den Alltag im Irak vor und während der Besatzung durch den „Islamischen Staat“, seine Flucht nach Deutschland und das Leben in Deutschland. Auszüge aus diesem interessanten Gespräch können in folgendem Clip angeschaut werden.
Konkrete Studienmöglichkeiten erkundete die Seminargruppe bei einer Exkursion zur Fakultät Agrarwissenschaften der Universität Göttingen und zur Technischen Universität Clausthal im Oberharz. Dort sind inzwischen viele Bachelor- und Master studiengänge, wie z.B. Umwelttechnologien, Energietechnologien, Energiesystemtechnik oder Geoumwelttechnik im Angebot. Diese stießen auf großes Interesse der Geflüchteten, die z.T. in ihrem Heimatland ein Studium begonnen oder sogar abgeschlossen haben. Auch der Universitätsstandort Clausthal stieß wegen seiner Überschaubarkeit und der persönlichen Atmosphäre auf großes Interesse.
Diese Exkursionen wurden begleitet von Seminareinheiten in der Heimvolkshochschule Mariaspring zu den Chancen und Möglichkeiten der beruflichen Qualifikation in Deutschland und Informationen zum Aufenthalts- und Bleiberecht für Geflüchtete mit Interesse an einem Studium bzw. einer Ausbildung, sowie zum politischen System in Deutschland und Europa. Ein großes Thema für die Teilnehmenden war der Erwerb einer ausreichenden Sprachkompetenz, die zur Aufnahme eines Studiums führt. Hier konnte Mariaspring Einigen bei der Suche nach einem vom Land Niedersachsen geförderten Intensivsprachkurs helfen.