„Ich find’s ein ungeheures Privileg, diese vier Wochen zu haben.“
Interview mit Regina Frisch, Gewinnerin unseres Aufenthaltsstipendiums
Regina Frisch ist derzeit Stipendiatin hier bei uns in Mariaspring. Sie hat unser 2024 ausgeschriebenes Aufenthaltsstipendium zugesprochen bekommen und arbeitet an einem Buch über deutsche Kolonialkochbücher.
Das Interview mit ihr findet nach dem – wie immer sehr leckeren – Mittagessen in einem unserer kleinsten Seminarräume statt. Als Einstieg bat ich, David Kreitz, Regina Frisch darum, doch zunächst etwas über sich zu erzählen.
RF: Also ich habe Germanistik studiert. Und habe dann recht bald im Studium Spaß an der Sprachwissenschaft gefunden. Und Magister gemacht, dann in einem Forschungsprojekt promoviert. Danach kamen einige Jahre der Lehre an Universitäten in Finnland und Würzburg. Schließlich bin ich in die Softwarebranche gegangen. Tja, und nun arbeite ich bereits seit etlichen Jahren als Autorin und Referentin.
„Bei eurer Ausschreibung dachte ich: Die wollen mich!“
Nach diesem kurzen Abriss ihres Werdeganges wollte ich von Regina Frisch wissen, wie sie denn auf unsere Ausschreibung aufmerksam geworden sei.
RF: Ich habe einen Newsletter von Autorenwelt abonniert. Dieser Newsletter richtet sich meist an bestimmte Gruppen: Personen unter 27, oder über 70 oder nur Lyriker. Aber bei eurer Ausschreibung dachte ich: Die wollen mich!
Ich bestätige, dass ihr Projekt gleich in mehrfacher Hinsicht gut zu uns passt. Einerseits haben wir schon häufiger Bildungsurlaubsseminare zum deutschen Kolonialismus angeboten. Andererseits haben wir mit unserer eigenen Hauswirtschaft auch einen praktischen Bezug zu Kochbüchern und Kochen. Wie war Regina Frisch zur Kochbuchforscherin geworden, wollte ich wissen.
RF: Es gibt da schon längere Forschungen dazu, weil Rezepte immer ‘ne feste Struktur haben: Rezeptnamen, Zutaten und Zubereitung, das ist die Basis. Wie man die darstellt, ob man Zutaten und Zubereitung trennt oder zusammen macht, das hat sich im Laufe der Jahrhunderte geändert. Das ist ein interessantes Feld, wenn du eine Textsorte hast, die im Prinzip viel Struktur hat, aber doch Möglichkeiten bietet. Das war sozusagen die sprachwissenschaftliche Schiene, warum ich schon kochbuchaffin war.
Dann kam eine private Sache dazu: Es gab ein Kochbuch, das ich schon lange auf dem Schirm hatte, mit dem ich auch koche. Das ist das Bayerische Kochbuch, das eben sehr verlässlich ist. Wo man alle Zutaten findet, Zutaten und Zubereitung sauber gearbeitet sind. Als dann eine neue Auflage mit einigen Änderungen erschien, dachte ich: “Aha, da arbeitet jemand dran” und wollte wissen, wie das Kochbuch früher aussah. Dieses Kochbuch gibt’s, wie ich dann im Nachhinein feststellen konnte, schon seit 1910, und es gibt’s immer noch.
„Das hat mich elektrisiert“
Um’s kürzer zu machen: Ich bin dann auf ein sehr Jahren gestoßen, das sehr stark politisch war, wo die Frau am Herd an der Front stand. Das hat mich elektrisiert, und da wollt’ ich eben wissen, wie die Geschichte von diesem Kochbuch aussieht. So kam ich konkret zu dem Thema “Kochbücher erzählen Geschichte/n “.
Daraus entstand dann nicht nur ein Werk über das Bayrische Kochbuch sondern auch ein Buch über drei bayrische Kriegskochbücher des Ersten Weltkriegs und eben das aktuelle Projekt zu Kolonialkochbüchern.
RF: Ich weiß gar nicht mehr genau, wann mir zum ersten Mal ein Kolonialkochbuch in die Hände gefallen ist. Es gibt ja nicht viele davon. Aber irgendwann muss ich eins entdeckt haben – eines heißt ja tatsächlich Kolonialkochbuch. Und da dachte ich mir: “Hoppla, was ist das denn?” Relativ schnell bin ich dann auf die beiden zentralen Werke gestoßen, die es gibt: das Kolonialkochbuch von Olga Rosenberg und das Kochbuch für die Tropen von Antonie Brandeis.
„Propaganda und Ideologie, die selbst in Kochbücher einfließen“
Und der Punkt ist: Wie schon beim Ersten Weltkrieg merkt man auch hier, dass man über diese Kochbücher unglaublich viel über die jeweilige Zeit lernen kann. Man bekommt Einblicke in die Propaganda und Ideologie, die selbst in Kochbücher einfließen. Das fand ich total spannend.
Mich interessierte natürlich, was sich in diesen Kolonialkochbüchern zeigt, ob Rassismus deutlich wird, ob Kolonialismus selbst thematisiert wird.
RF: Wir beschäftigen uns ja seit der Jahrtausendwende in Deutschland mehr mit dem Kolonialismus. Ich hab‘ das ja früher überhaupt nicht in der Schule registriert. Aber in der öffentlichen Diskussion ist die blutige Seite – der Herero-Mord, Genozid, die Raubkunst, also spektakuläre Themen werden da behandelt. Aber über die Kochbücher sieht man den Alltag des Kolonialismus. Und das finde ich wiederum das Interessante, eben diesen Zugriff zu haben.
Die Bücher richten sich an Frauen, die in die deutschen Kolonien gehen. Und die müssen sich erstmal in einer neuen Situation zurechtfinden. Die mussten also aus ihrem kuscheligen, heimatlichen Umfeld raus und da schon vielleicht auch eine Abenteuerlust haben und improvisieren können. Natürlich sieht man da auch Rassismus in manchen Kochbüchern. Aber in anderen gar nicht, und dann ist es wirklich die Blindheit, die einen verblüfft und ja auch sehr aussagekräftig ist.
„Die wollten im Ausland deutsch kochen“
Mich interessierte dann natürlich auch welcher Art die Gerichte in den Kochbüchern waren, ob einheimische Küche Thema war oder ob deutsch gekocht werden sollte.
RF: Was mich am Anfang so überrascht hat – also meine erste Erwartung war eigentlich eine sehr heutige. Wo wir ja ganz begeistert sind von exotischer Küche. Und das musste ich mir dann wirklich erstmal vergegenwärtigen: Okay, die waren anders drauf. Die wollten eben im Ausland deutsch kochen. Man kochte viel aus Dosen oder mit Zutaten, die man im Ausland vorfand und eindeutschte.
Schließlich wollte ich von Regina Frisch wissen, wie viele der Gerichte aus den Kochbüchern sie denn schon selbst ausprobiert hätte.
RF: Also bei dem Bayrischen Kochbuch habe ich tatsächlich die Familie mit bestimmten Rezepten konfrontiert! Bei den Kolonialkochbüchern noch nicht. Da habe ich noch nichts ausprobiert. Vielleicht kommt es noch. Wer weiß?
„Ich finde es sehr angenehm hier“
Schlussendlich wollte ich von Regina Frisch natürlich wissen, wie sie ihre bisherige Zeit bei uns und Mariaspring als Schreibort wahrnimmt.
RF: Ich finde es sehr angenehm hier – die Räumlichkeiten, die Menschen auch. Ich hab‘ mich sehr schnell eingelebt, schon nach dem ersten Wochenende. Wie’s halt bei solchen Aufenthaltsstipendien ist – man muss sich selbst strukturieren. Und das ist dann schon eine Aufgabe. Ich find’s ein ungeheures Privileg, diese vier Wochen zu haben.
- “Zebuhöcker, Flußpferdspeck und Rote Grütze von Mango. Kolonialgeschichte aus der Küchenperspektive” Vortrag im Städtischen Museum Göttingen, 6.2.2025 um 18 Uhr
- hier finden Sie die Homepage von Frau Frisch: www.resteferwertung.de